Was haben Cannabis und Joggen gemeinsam?
Der Beitrag lief am 16.04.2024 bei Radio LORA München im LORA-Magazin.
Bundestagsdebatten sind im Allgemeinen ähnlich bräsig wie die Telekolleg-Lehrstücke im Schwarzweißfernsehen der 1960er Jahre. Nun ja, die Jüngeren waren da noch nicht geboren und auch die Älteren erinnern sich in ihrer Prä-Demenz nicht mehr richtig daran. Aber als Ende Februar im Plenum des Bundestags über das Cannabis-Gesetz diskutiert wurde, da ging es munter und emotional wie selten zu. Gesundheitsminister Lauterbach, phänotypisch changierend zwischen Sven Hannawald und Harry Potter, hängte sich mächtig ins Zeug, um das eher sperrig konstruierte Gesetz zu verteidigen. Der erste Redner der Opposition sprach dann von der „absurdesten Rede“, die er je im Bundestag gehört hätte, was Lauterbach ungerührt konterte mit „Das ist kein Argument!“. Gejohle auf den Rängen.
„Legalize it“ – Schlachtruf nicht nur des Reggaes
Ein rechts außen sitzender Abgeordneter verstieg sich zu der Aussage, das Gesetz wäre ein „Konjunkturprogramm für das Organisierte Verbrechen“. Ein Redner der Opposition namens Pilsinger (nomen est omen), der sich ebenfalls vehement gegen eine Legalisierung von Cannabis aussprach, wurde mit einem Zeitungsbericht konfrontiert, er hätte sich von der Münchner Kultbrauerei Giesinger ein eigenes Pils brauen lassen. Der Gesichtsausdruck des Angesprochenen wechselte in Sekundenbruchteilen von Erstarren zu gezwungenem Lächeln und zurück. Relativierend wendete er ein, dass das Pils ja nur „in geringer Stückzahl bei einer Veranstaltung getrunken“ worden wäre. Kabarett at its best. Das Protokoll vermerkt allgemeine Heiterkeit.
Wir wollen an dieser Stelle nicht weiter räsonieren, ob nun Alkohol oder Cannabis in welchen Mengen auch immer gefährlicher ist. Für Menschen, deren Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und das ist erst im Alter von circa 25 Jahren der Fall, ist beides nicht eben gesundheitsfördernd. Vor allem dann nicht, wenn von dem einen wie dem anderen große Mengen konsumiert werden. Aber es gibt ja Alternativen! Wobei sofort angemerkt werden muss, dass wir den gelegentlichen Genuss von Drogen nicht verdammen wollen.
Auch Hirnforscher beschäftigen sich mit Drogen
Vor rund zwanzig Jahren wurden Studien von Neurowissenschaftlern in Fachzeitschriften publiziert, die belegen sollten, dass regelmäßiges Laufen sowohl zahlreiche gesundheitliche Vorteile mit sich bringt, als auch positive Wirkung auf das Gehirn hat. Der amerikanische Hirnforscher John Ratey: „Joggen zu gehen ist vergleichbar mit der Einnahme einer geringen Dosis von Prozac und Ritalin“ (S. 53[1]), den beiden wohl bekanntesten Medikamenten zur Erhöhung des Serotonin- beziehungsweise Dopaminspiegels. Ja, Joggen kann tatsächlich als eine Art „positive Droge“ betrachtet werden. Denn beim Joggen werden Endorphine freigesetzt, die für ein Gefühl der Euphorie sorgen. Diese natürlichen „Glückshormone“ können Stress reduzieren, die Stimmung verbessern und sogar Schmerzen lindern. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig joggen, weniger anfällig für Depressionen und Angstzustände sind und insgesamt ein höheres Wohlbefinden haben. Und dabei ist Joggen im Vergleich zu Cannabis, wo bisher und vielleicht auch in Zukunft vor allem die Dealer kassieren, vergleichsweise billig.
Konsumbereiche und Sperrzonen
Wo Drogen konsumiert werden dürfen, das ist von Droge zu Droge unterschiedlich. Früher gab es zum Beispiel Raucherecken vor Schulgebäuden. Aber das ist lange her. Dass jetzt Cannabis Corners – klingt doch super, oder? – im Schulgelände eingeführt werden, davon ist das neue Gesetz weit entfernt. Denn auch in Sichtweite von hundert Metern zu Schulen, Kitas etc. darf Cannabis nicht konsumiert werden. Was auf den ersten Blick nahelegt, dass die Schüler erst mal mindestens hundert Meter Joggen müssen, bevor sie den Joint aus dem Ranzen holen dürfen. Und sie hätten damit sogar den doppelten Kick. Aber das ist zu kurz gesprungen, da die meisten Schüler:innen unter 18 sind und für die ist Cannabis eh verboten. Joggen dagegen ist erlaubt.
[1] Ratey, John (2003): Superfaktor Bewegung. Kirchzarten (VAK-Verlag)