Die Olympischen Spiele in Paris waren gerade erst beendet, da beklagte die versammelte Journaille das mäßige Abschneiden der deutschen Mannschaft. Wenn bei Olympia – nur mal angenommen – keine Pferde zugelassen wären, hätte im Medaillenspiegel Usbekistan vor Deutschland gelegen. Aber Pferde sind nun wohl auch in Zukunft die einzigen Tiere, die bei diesem Megaereignis das deutsche Nationalbefinden auf Vordermensch (m/w/d) bringen können. Beinahe zeitgleich begann die Suche nach der Ursache für diese, nun ja, Misere. Da heißt es, der Spitzensport würde zu wenig stringent gefördert; etwas populistisch wird moniert, dass sich die deutschen „Zoomer“, besser bekannt als Generation Z, nicht mehr anstrengen wollen. Menschen aus aller Welt dagegen, denen es materiell weniger gut geht, hätten einfach mehr Biss und Leidenschaft. Besonders schlaue Schreiberlinge identifizierten dann umgehend die Schulen als die eigentlichen Verursacher schwächelnder Performance im Leistungssport. Überraschenderweise wurde in diesem Zusammenhang eine Debatte wiederbelebt, die eigentlich längst gegessen war: Müssen die Bundesjugendspiele reformiert werden?
Wie kommt man da bitte auf die Bundesjugendspiele?
Die Bundesjugendspiele, das wollen wir an dieser Stelle festhalten, sind im Schuljahr ein sehr singuläres Ereignis. Dabei ist es heute wie vor, sagen wir mal 50 Jahren, bei den Schülerinnen und Schülern ähnlich: Entweder es ist Leidenschaft oder es ist Tortur; ein dazwischen gibt es nicht. Die einen können den Tag gar nicht mehr erwarten, wo der Klassenlehrer mit dem etwas aus dem Rahmen fallenden Body-Mass-Index mit der Stoppuhr an der Aschen-, jetzt Tartanbahn steht, während die anderen den Schatten unter der nahegelegenen Hecke suchen und hoffen, nicht aufgerufen zu werden. Bei so viel Spaltung hilft eigentlich nur eine Reform! Um mehr Lust auf Sport zu machen, könnte man zum Beispiel die Stoppuhren und Maßbänder vom Schulsportplatz verbannen. Zugespitzt hieße die Losung dann, so die satirische Überschrift einer renommierten Tageszeitung, „Endlich zeitgemäß – Bundesjugendspiele künftig ohne Sport“. Aber auch abseits dieser nicht ganz ernst gemeinten Einlassung wurde konstatiert, dass die schon 2021 eingetütete Reform den Leistungsgedanken im Sport eliminieren würde. So soll aus einem „Wettkampf“ ein „Wettbewerb“ werden, was einem verdienten Leichtathletik-Funktionär zu linguistischen Tiefenbohrungen treibt. Die Begriffe seien Synonyme, was auch der Duden belegen würde. Im Englischen übersetze man beides mit „Competition“.
Werfen wir einen Blick ins neue Regelwerk. Was wurde mit der Reform beabsichtigt? Mit einem angepassten Konzept soll die Lust am Sport gesteigert werden. Es kommt weniger auf die Einzelleistung an. Stattdessen soll das Teamergebnis im Vordergrund stehen. Im Wettbewerb wird künftig die Leistung einer Jahrgangsstufe oder einer Klasse beurteilt. In einem Punktesystem werden die erreichten Leistungen der einzelnen Teams zusammengezählt. Wobei trotzdem transparent bleibt, wer in der Klasse die meisten Punkte erzielt hat, hinter welchen Bänken also die Winner und die Looser sitzen. Und es gibt auch weiterhin die berüchtigten Ehrenurkunden, Sieger- und Teilnehmerurkunden, womit man letztlich am Leistungsprinzip festhält.
Was folgt ist ein „Kampf der Kulturen“
Wie reagieren die einschlägigen Kreise aus Sport und Gesellschaft? Was fällt den Medien dazu ein? An griffigen Schlagworten mangelt es jedenfalls nicht: „Flauschokratie“, „leistungsfreies Kinderkuscheln“, „Morbus Mittelmaß“, „Leistungsallergie“, „Schneeflockenweitpusten“ … Die pädagogische Fachpresse, hier der online-Dienst sportunterricht.de, retourniert mit dem Slogan „Wettkampf der Ahnungslosen“. Viel Getöse, wenig Argumente könnte man räsonieren. Doch auf was kommt es eigentlich an? Bei all dem Gemetzel wurde kaum bis wenig Augenmerk daraufgelegt, was man dem Schulsport bzw. den dafür Verantwortlichen eigentlich vorwerfen müsste: Das Land braucht mehr Sportstunden in der Woche sowie Bewegungsangebote – und das an jedem Morgen vorm Schulbank drücken. Aber gerade in diesen, wirtschaftlich schwierigen Zeiten haben diejenigen das Sagen, die Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik über alles stellen: die MINT-Euphoriker. Dabei ist Sport der beste „Dünger“ fürs Gehirn.